Wenn wir an Trauer und Tod denken, dann verbindet man dies doch oft mit einem Menschen, der ein erfülltes Leben gelebt hat und einer Phase, in der man sich an all die Erlebnisse mit diesem Menschen zurückerinnert. Die Trauer begleitet einen eine Weile stark, dann lernt man damit umzugehen, weiß, dass dies der Lauf der Dinge ist und ist bald wieder im Alltag angekommen. Doch wie ist es, wenn Eltern ihr in
Liebe erwartetes Kind während der Schwangerschaft oder nach der Geburt verlieren? Wenn die gemeinsame Zeit so sehr begrenzt ist und manchmal sogar nicht mal die Möglichkeit einer Abschiednahme geboten wird?
Der Verein SternenEltern Saarland e. V. betreut diese Eltern bereits in der Akutsituation durch das Notfallteam, welches nach Alarmierung ins Krankenhaus fährt, Kleidung und Einschlagdecken zur Verfügung stellt und gemeinsam mit den Eltern Erinnerungen, zum Beispiel Hand- und Fußabdrücke, schafft. Diese Andenken helfen den Eltern, diesen traumatischen Moment besser verarbeiten und sich an ihr Kind zurückerinnern zu können. Zudem steht das Beratungsteam oft schon vor der Geburt helfend zur Seite, wenn die Diagnose „nicht lebensfähiges oder krankes Kind“ gestellt wird, oder das Kind bereits im Mutterleib verstorben ist (Mutterschutz, Bestattungsgesetz, palliative Geburt, Fetozid u. v. m.). Gerade bei einer so schwerwiegenden Diagnose müssen die Eltern oft viel zu schnell die Entscheidung treffen, die Schwangerschaft abzubrechen oder weiterzutragen. Doch was bedeutet das genau? Ab der 24. Schwangerschaftswoche wird ein sogenannter Fetozid durchgeführt, das heißt Kaliumchlorid wird dem Kind ins fetale Herz gespritzt. Für viele Eltern ist dieser Eingriff traumatisierend und sie empfinden große Scham und Schuldgefühle. Durch die Begleitung des Vereins konnten schon mehrere Eltern über die Möglichkeit der palliativen Geburt aufgeklärt werden. Diese Eltern konnten den Verlust des Kindes besser verarbeiten, da sie nicht gezwungen waren, die Entscheidung über Leben und Tod tragen zu müssen.
Aber auch Eltern, die sich für einen Abbruch entscheiden, benötigen eine neutrale Beratung, um sicher hinter ihrer Entscheidung zu stehen. In vielen Fällen ist die Wartezeit von 3 Tagen nicht ausreichend, um hier einen gut durchdachten und gut begleiteten Entschluss zu treffen. In dreieinhalb Jahren wurden so bereits 119 Familien in der Akutsituation im Krankenhaus oder beratend begleitet, hinzu kommen die zahlreichen Teilnehmenden der Selbsthilfegruppen, welche der Verein regelmäßig anbietet.
Aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit und dem Ausbau der Hilfsangebote nehmen Eltern und auch Kliniken diese immer öfter an und sorgen so für eine würdevolle Begleitung der Familien und Sternenkinder. Allerdings hat dies auch zufolge, dass die ehrenamtlichen Helfer*innen immer mehr leisten müssen. Dank der Förderung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) konnte der Verein zwei Halbtagskräfte für die Verwaltung einstellen, doch für die Begleitung der Familien stehen hier bisher noch keine Gelder zu Verfügung. Das Thema Sternenkinder ist sehr großes Tabuthema in unserer Gesellschaft und es bedarf eine Sensibilisierung bezüglich Fehl- und Totgeburten, plötzlichem Kindstod, Tod und Trauer im Allgemeinen. Trauerbegleitung wird in Deutschland nicht gefördert, dabei warten Familien oft Monate auf einen Termin bei Psycholog*innen und kämpfen jeden Tag mit ihrem Trauma. Der Verein unterstützt die Familien, zeigt Wege zur Trauerarbeit auf, steht bei Fragen zur Verfügung und schafft eine Umgebung, in der sich die Eltern verstanden fühlen. In einem Trauma, welches die eigenen Gefühle durcheinanderwirft und in dem oft nur noch im Überlebensmodus gelebt wird, fällt es den Betroffenen meist schwer, sich die Informationen und Kontakte selbst zu suchen. Eine gute Aufklärung der Eltern bereits im Krankenhaus und das Schaffen einer guten Vertrauensbasis zu den begleitenden Personen aus dem Team geben den Familien Halt, um auch im Nachgang das Hilfsangebot in Anspruch nehmen zu können. Viele Betroffene empfinden Scham, leiden unter Schuldgefühlen und fühlen sich unfähig, was durch die Tabuisierung in unserer Gesellschaft zumeist noch verstärkt wird. Um hier die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Depression zu vermeiden, stehen die ehrenamtlich Helfenden hier den Familien oft über Wochen und Monate zur Seite.
Auch die psychische Belastung der Teammitglieder muss jederzeit beachtet und eine entsprechende Nachsorge der begleitenden Personen gewährleistet werden. Eine hohe Belastung für das gesamte Team, denn all diese Stunden werden neben Beruf, Familie und Freizeit gemeistert. Obwohl bereits mehrere Konzepte erstellt wurden, hat der Verein bisher keine Finanzierungsmöglichkeiten gefunden, um hier ein Beratungsteam aufzubauen, welches hauptamtlich die Familien betreut und gemeinsam mit ihnen einen Weg zurück ins Leben findet. Beim Verlust des Kindes steckt die Trauer oft sehr tief, braucht lange Zeit, um
so verarbeitet zu werden, dass ein „normales Leben“ wieder möglich ist und verblasst auch niemals so stark, wie man es vom Verlust eines älteren Menschen kennt. „Nach 30 Jahren habe ich meine Kinder verabschiedet…“ Mit diesen Worten hat eine Sternenmama vom Abschied ihrer beiden Kinder erzählt, den sie nur durch psychologische Betreuung nach 30 Jahren endlich erleben durfte. Sie hat nun ihren inneren Frieden gefunden, nachdem sie ihr halbes Leben mit den Gefühlen, Ängsten und der Trauer leben musste. Nur mit einem Umdenken in der Gesellschaft und dem Erschaffen von Beratungsstellen, die sich auf die
Trauer spezialisieren, lassen sich solche Situationen vermeiden. Aktuell arbeitet der Verein im saarländischen Landtag in unterschiedlichen Ausschüssen mit, um auch in der Politik ein Umdenken anzustoßen.
Der Verein SternenEltern Saarland setzt sich für den würdevollen Umgang mit Sternenkindern und die Begleitung der betroffenen Familien auf ihrem Trauerweg ein, um diesen Familien einen Weg zurück ins Leben zu ebnen.
Vielen Dank an den Bundes-Hospiz-Anzeiger für die Möglichkeit, einen Artikel über unseren Verein und unsere Arbeit veröffentlichen zu können.